Die vier schwarzen Katzen in Lauingen 

Marie Nienstedt aus Lauingen diente in den Jahren um 1890 bis 1895 bei Bauer Schäfer in Lauingen. 

Eines Abends, es war im Winter und der Schnee lag über Feld und Wald, wollte die Jungfer noch spät nach ihren Eltern gehen, die im Dorfe wohnten. Es war bereits die elfte Stunde durch und die Geisterstunde hatte angebrochen. Wie sie nun bei dem Torwege des Tischlermeisters Grabenhorst war, da springen plötzlich vier große, schwarze Katzen mit glühenden Augen auf sie zu. Sie umschnarrten das Mädchen und umgarnten es, daß es bald über die Tiere gestolpert wäre, wenn es sich nicht vorgesehen hätte. 

Marie Nienstedt lief nun was sie konnte, nicht rechts, nicht links sehend, die Katzen immer um sie rum. Wie sie nun endlich die Brücke beim großen Klinte erreicht hatte, waren die Katzen auf einmal verschwunden. 

Angstvoll kam die Jungfer bei ihren Eltern an, und als sie diesen von ihrem Erlebnis erzählte, frug die Mutter gleich: 

"Du hast doch den Viechern nichts getan? Oder dich gar umgeschaut?" Als das Mädchen dieses verneinte, sagte die Mutter:

"Gott sei Dank! Sonst hätten dich die Viecher umgebracht!"

Am anderen Tage läuteten die Glocken vom Kirchturme. Die alte Mutter Grabenhorst, die in jenem Hause wohnhaft gewesen, war plötzlich in der Nacht verstorben.

Von Altmutter Marie Schnelle, geb. Nienstedt, Lauingen


Der böse Drost von Lauingen

In Lauingen lebte auf dem Rittergute früher mal ein böser Drost, der war so geizig, und hartherzig, daß er die armen Leute mit Hunden vom Hef gehetzt hat. 
Wie er einmal wieder arme Leute "Lausepack" gescholten und mit Stockschlägen vom Gutshofe gejagt hat, haben ihn diese Leute verwünscht. Als der Drost nun alt geworden, hat sich keiner mehr um ihn gekümmert. 
Er ist so verdreckt, daß ihn die Läuse bei lebendigem Leibe aufgefressen haben. Da ist dann endlich der Tod gekommen und hat den alten Drosten erlöst. 
Noch bis auf den heutigen Tag aber erzählt man sich des Abends in der "Schummerijen" von dem bösen Mann, der arme Leute "Lumpenpack" und "Lausevolk" gescholten hat und dafür dann von den Läusen selbst aufgefressen wurde.

Von Altvater Jäger, Königslutter, der aus Lauingen gebürtig war und diese Sage schon von seinem Großvater gehört hat.

König Ränzel und sein Volk

Vor Lauingen, am Lutterstiege, liegt der Ränzelsberg. Hier hat vor Jahren ein Zwergenkönig Ränzel mit seinem kleinen Volke gelebt. Die Zwerge sind oft in dem nahen Dorfe Lauingen gewesen und haben den Bauern gerne bei der Arbeit im Hause geholfen. 

Der Schuster in Lauingen hatte einstens keinen Pekedraht mehr. Da seine Frau gerade in Kindesnöten lag, konnte er nicht nach Lutter, um neuen zu holen. In seiner Not hat er es einem Erdmännchen gesagt. 

Der hat ihm darauf eine kleine Rolle Pekedraht gegeben, die der Schuster erst gar nicht nehmen wollte, da sie ihm so klein deuchte. Da er aber nun den kleinen Erdmann nicht beleidigen wollte, hat er die Rolle doch in Besitz genommen und mit ihr seine Stiefel und Schuhe genäht. Die Rolle Pekedraht aber ist nie alle geworden.

Von der alten Frau Rosenthal in Lauingen und vielen alten Leuten

 

 


Der Schäfer und die Zwerge

Altmutter Rosemüller in Lauingen, aber die ganz alte, die vor hundert Jahren gelebt hat, wußte immer folgendes zu unserer Mutter von den Unterirdischen im Ränzelsberge zu erzählen:

 

Vor Jahren hütete hier einstens des Nachts ein Schäfer seine Schafe. Als nun die Geisterstunde um Klocke zwölf vom Turme schlug, kam das kleine Volk und fiel über den Schaper her, warf ihn zu Boden und band ihn fest. Er hatte vorher zu anderen Leuten über die Zwerge gelacht und sich gebrüstet, keine Angst vor dem kleinen Volke zu haben. 

Nun lag er winselnd und jammernd auf der Erde. Da hat er dann erst lange bitten und flehen müssen, bis die Zwerge sich endlich erweichen ließen und ihn freigegeben haben. Der Schaper hat in seinem Leben nie mehr gelästert und gespottet.

Erzählt von Altmutter Schnelle, geb. Nienstedt, Lauingen


Der verhexte Ganter von Lauingen

Lauingen ist von jeher ein Gänsedorf. Viele Gänse schnattern einem auf der Dorfstraße entgegen und Lauinger Gänsebraten ist seit altersher weitberühmt. 

Ein Bauer hatte nun für seine Gänseschar einen neuen Ganter erworben, den er im nahen Königslutter von einer Frau gekauft hatte. Als nun dieser Ganter einige Tage mit der Gänseschar des Hauern zusammen war, stellte der Landmann mit Befremden fest, daß seine sonst so muntere und lustig durcheinander gestikulierende Gänseschar ängstlich in einer Ecke des Hofes zusammen stand und die Köpfe mutlos zur Erde senkte. 

Der neue Ganter aber, dick und wohlgenährt, schnatterte und watschelte unbekümmert lustig im Hofe hin und her. 

"Watt is bloß mit dä Gäuse los?" frug der Bauer seine Frau, und als man sich schließlich keinen Rat mehr wußte, weil die Gänse immer mehr in sich zusammenfielen, schickte der Bauer nach Königslutter zu einer Frau, die in dem Rufe stand, mehr zu können, als andere, gewöhnlich sterbliche Leute. 

Frau R. kam gleich mit nach Lauingen. Wie sie auf den Hof kommt, da fährt der Ganter wie wild herum und schießt auf die "weise Frau" los. Hätte diese nicht einen großen Schwaken bei sich gehabt, mit dem sie dem Wüterich welche übergezogen, das böse Tier hätte die Frau unweigerlich gebissen. 

"Der Ganter ist verhext", sagte die weise Frau "wo habt ihr das Tier denn her?" - Der Bauer erwiderte, er habe den Ganter von Frau B. aus Königslutter gekauft. 

"Da hilft alles nichts", sagte die Frau R., "wenn ich euch helfen soll, müßt ihr mir den Ganter geben, und ich muß ihn schlachten und versuchen, mit dessen Blut und Fleisch eure Gänse wieder zu enthexen." 

Der Bauer war des wohl zufrieden, wenn nur seine Gänseschar wieder in Ordnung käme! Frau R. nahm nun den Ganter mit nach Hause, schlachtete ihn, fing das frische Blut auf und ging mit diesem stillschweigend um Mitternacht zu dem Hause der Frau B. 

Nun malte sie mit dem Blute drei Kreuze vor die Haustüre und entfernte sich wieder stillschweigend. Unterdessen stand auf dem Feuer der weisen Frau der Ganter und wurde ganz weich gekocht. Mit der Gabel steckte die weise Frau, unter dem Gemurmel weiser Sprüche immer und immer wieder in das Gänsefleisch, bis es gänzlich zerschnitten und zerfetzt, zerkocht und zerbraten vor ihr stand. Sie nahm nun das Fleisch und brachte es an einen ablegenen Ort, wo sie es wieder unter Gemurmel geheimnisvoller Sprüche tief in die Erde vergrub. 

Von Stund an waren die Gänse in Lauingen wieder frisch und munter. Lustig schnatterten sie wie eh und je im Hofe und auf der Gasse umher, und reich belohnt ging Frau R. zurück nach dem nahen Lutter. Die böse Hexe aber, nämlich eine solche war die Frau B., hatte lange Zeit hindurch ihr Fenster dicht verhangen. Der Zauber war durch das Vorgehen der weisen Frau zurückgeschlagen. Erst nach langer Zeit konnte sie sich von einer schweren Krankheit erholen.

Von Frau Else Dammann, Königslutter